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Standards für Mediation im öffentlichen Bereich: Umwelt - Wirtschaft - Politik – Soziales

Teil I: Verständnis von Mediation im öffentlichen Bereich

1: Mediation im öffentlichen Bereich: Umwelt - Wirtschaft - Politik – Soziales

Konflikte im öffentlichen Bereich – insbesondere bei Bau- und Planungsvorhaben - werden immer häufiger, komplexer und schwerwiegender. Sie treten im Spannungsfeld zwischen Umwelt, Wirtschaft, Politik und Sozialem auf. Dafür sind vielfältige Gründe ausschlaggebend. Das bestehende politisch-administrative Entscheidungsinstrumentarium reicht nicht mehr aus, um den immer komplexer werdenden Fragestellungen gerecht zu werden. Damit geht - unter anderem - ein Vertrauensverlust in politische und gerichtliche Entscheidungen einher.

Gesellschaftlicher Fortschritt soll durch einen konstruktiven Umgang mit Konflikten gefördert werden. Seit einigen Jahren wird daher auch in Deutschland ein Konzept zur Regelung von Konflikten besonders im Zusammenhang mit umweltrelevanten, z.B. energie-, abfall- und verkehrspolitischen Vorhaben eingesetzt: Die Mediation.

Mediationsverfahren sind freiwillige, strukturierte Verfahren, in denen die von einem Vorhaben betroffenen Bürger und Institutionen unter Hinzuziehung allparteilicher Dritter (Mediatoren) versuchen, selbstbestimmte und von allen Beteiligten getragene Lösungen oder Regelungen für Konflikte zu erarbeiten. Durch eine ausgewogene Einbindung sozialer, ökologischer und ökonomischer Interessen leisten sie einen Beitrag zur zukunftsfähigen Entwicklung.

2: Besonderheiten der Mediation im öffentlichen Bereich

Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich weisen typischerweise folgende Merkmale auf:

  • Vielparteienkonflikte
  • Arbeit mit großen Gruppen
  • Interessenvertretung vielfach durch Repräsentanten mit unterschiedlichen Mandaten
  • Komplexität der Konfliktthemen und -gegenstände
  • Entscheidungskompetenzen meist im politisch-administrativen Bereich
  • Konfliktaustragung im öffentlichen Bereich, d.h. im Spannungsfeld zwischen Umwelt, Wirtschaft, Politik und Sozialem
  • Interpersonelle und interorganisatorische Konflikte
  • Ideologisch und weltanschaulich geprägte Wertekonflikte
  • Vielfältige und divergierende Interessenebenen
  • Macht- und Ressourcenungleichgewichte
  • Komplexe wissenschaftlich-technische Fragen mit hoher Unsicherheit
  • Unsicherer Ausgang eines möglichen Rechtsstreits

3: Ziele der Mediation im öffentlichen Bereich

Durch den Einsatz der Mediation im Spannungsfeld zwischen Umwelt, Wirtschaft, Politik und Sozialem sollen vor allem folgende Ziele erreicht werden:

  • Erreichung von Lösungen zum allseitigen Nutzen
  • Erarbeitung von zukunftsorientierten Konfliktregelungen, die von allen Beteiligten gemeinsam getragen werden
  • Förderung der Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien
  • Soziales Lernen im Rahmen konstruktiver und fairer Kommunikationsprozesse
  • Qualitätsverbesserung durch Entscheidungsfindung auf breiter Informations- und Argumentationsbasis

4: Prinzipien der Mediation im öffentlichen Bereich

Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich ersetzen nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Planungs- und Genehmigungsverfahren, sondern finden in Ergänzung bzw. im Vorfeld davon statt. Ein Mediationsverfahren weist in Abgrenzung zu anderen Formen der Konfliktregelung folgende Prinzipien auf:

  • Allparteiliche Verfahrensleitung Mediation setzt externe, allparteiliche, von allen Konfliktparteien akzeptierte Mediatoren voraus.
  • Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung Die beteiligten Personen oder Gruppen eines Konflikts nehmen selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihre Interessen und Bedürfnisse wahr und vertreten diese innerhalb des Mediationsverfahrens. Sie bringen diese in der Regel durch Vertreter in das Verfahren ein.
  • Informiertheit Alle Beteiligten sollen einen uneingeschränkten Zugang zu den entscheidungserheblichen Informationen haben und nutzen.
  • Freiwilligkeit Die Teilnahme an Mediationsverfahren ist freiwillig. Jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit, jederzeit aus einem Mediationsverfahren auszuscheiden.
  • Beteiligung aller Betroffenen An einem Mediationsverfahren sind alle von einem Konflikt betroffenen Personen und Institutionen beteiligt. Gegebenenfalls ist es erforderlich, Vertretungs- und Delegationsregelungen zu treffen.
  • Ergebnisoffenheit Mediationsverfahren sind ergebnisoffen und dienen nicht der Akzeptanzbeschaffung.
  • Vertraulichkeit Mediationsverfahren sind grundsätzlich vertraulich. Eine Weitergabe von Informationen, die innerhalb eines Mediationsverfahrens erlangt wurden, ist nur bei ausdrücklicher Zustimmung des jeweiligen Betroffenen gestattet. Ausgenommen davon sind Konsultationen mit Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs.1 Nr. 1, 3 und 4 StPO (z.B. Rechtsanwälte, Geistliche, Ärzte, Steuerberater etc.) in Anspruch nehmen können.
  • Empathie Die Schaffung wechselseitigen Verstehens ist zentral für den Prozess der Mediation.

5: Ablauf einer Mediation im öffentlichen Bereich

Der eigentlichen Mediation geht eine Initiierung voraus, in der sich die Betroffenen über die wesentlichen Merkmale der Mediation informieren und Finanzierungsmöglichkeiten geklärt werden. Das Mediationsverfahren selbst folgt idealtypischer Weise folgendem skizzierten Ablauf:

  1. Vorbereitungsphase
    • Konfliktanalyse
    • Auswahl bzw. Bestätigung von Mediatoren
    • Klärung des organisatorischen Rahmens
    • Verständigung über den Prozess der Mediation
  2. Durchführungsphase (unter Beachtung der Sach-, Beziehungs- und Prozessebene)
    • Beschreiben und Benennen von Themen
    • Klärung von Bedürfnissen und Interessen
    • Erarbeitung eines Kriterienkataloges
    • Gemeinsame Ideensuche
    • Entwicklung von Optionen
    • Überprüfung der Machbarkeit der Optionen
  3. Entscheidungs- und Umsetzungsphase
    • Gemeinsame Entscheidung
    • Mediationsvereinbarung
    • Klärung der Umsetzung

6: Aufgaben und Selbstverständnis von Mediatoren

  1. Die wesentlichen Aufgaben von Mediatoren bestehen in der Strukturierung, Gestaltung und Leitung des Mediationsverfahrens im öffentlichen Bereich. Somit gewährleistet er, dass die in Teil I, 3 genannten Ziele in einem für die Beteiligten als fair empfundenen Kommunikationsprozeß erreicht werden können. Der Erwerb der mediationsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch eine interdisziplinäre Ausbildung sichergestellt. Auf diese Weise wird die Professionalität der Mediatoren gewährleistet.
  2. Mediatoren fördern durch ihr allparteiliches und empathisches Verhalten die Kommunikation zwischen den Teilnehmern an einem Mediationsverfahren. Dabei unterstützten sie die Teilnehmer in deren Fähigkeit, Interessen und Bedürfnisse zu erkennen und zu artikulieren sowie Konflikte selbst und eigenverantwortlich in dem dafür notwendigen zeitlichen Rahmen zu lösen. Die Rolle von Mediatoren ist nicht mit der Rolle von Beratern, Gutachtern oder Schiedsrichtern vereinbar.