Standards für Mediation
im öffentlichen Bereich

Als einen frühen und wesentlichen Beitrag zum Qualitätsmanagement hat der Förderverein durch einen unabhängigen und interprofessionellen Expertenkreis bereits im Jahre 2000 erstmals „Standards für Umweltmediation“ erarbeitet. Diese Standards waren die ersten ihrer Art im deutschen Sprachraum und haben die Qualitätsdiskussion bei der Mediation im öffentlichen Bereich nachhaltig geprägt.

Die Standards für Umweltmediation wurden 2005 von einem Expertenkreis aus Sozialwissenschaftlern, Volkswirtschaftlern, Juristen, Psychologen und Landschaftsplanern mit breitem Erfahrungshintergrund im Themenfeld weiterentwickelt zu „Standards für Mediation im öffentlichen Bereich: Umwelt – Wirtschaft – Politik – Soziales“.

Die „Standard der Mediation“ können Sie als PDF herunterladen:

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Teil 1

Verständnis von Mediation im öffentlichen Bereich

1. Mediation im öffentlichen Bereich: Umwelt – Wirtschaft – Politik – Soziales

Konflikte im öffentlichen Bereich – insbesondere bei Bau- und Planungsvorhaben – werden immer häufiger, komplexer und schwerwiegender. Sie treten im Spannungsfeld zwischen Umwelt, Wirtschaft, Politik und Sozialem auf. Dafür sind vielfältige Gründe ausschlaggebend. Das bestehende politisch-administrative Entscheidungsinstrumentarium reicht nicht mehr aus, um den immer komplexer werdenden Fragestellungen gerecht zu werden. Damit geht – unter anderem – ein Vertrauensverlust in politische und gerichtliche Entscheidungen einher.

Gesellschaftlicher Fortschritt soll durch einen konstruktiven Umgang mit Konflikten gefördert werden. Seit einigen Jahren wird daher auch in Deutschland ein Konzept zur Regelung von Konflikten besonders im Zusammenhang mit umweltrelevanten, z.B. energie-, abfall- und verkehrspolitischen Vorhaben eingesetzt: Die Mediation.

Mediationsverfahren sind freiwillige, strukturierte Verfahren, in denen die von einem Vorhaben betroffenen Bürger und Institutionen unter Hinzuziehung allparteilicher Dritter (Mediatoren) versuchen, selbstbestimmte und von allen Beteiligten getragene Lösungen oder Regelungen für Konflikte zu erarbeiten. Durch eine ausgewogene Einbindung sozialer, ökologischer und ökonomischer Interessen leisten sie einen Beitrag zur zukunftsfähigen Entwicklung.

2. Besonderheiten der Mediation im öffentlichen Bereich

Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich weisen typischerweise folgende Merkmale auf:

  • Vielparteienkonflikte
  • Arbeit mit großen Gruppen
  • Interessenvertretung vielfach durch Repräsentanten mit unterschiedlichen Mandaten
  • Komplexität der Konfliktthemen und -gegenstände
  • Entscheidungskompetenzen meist im politisch-administrativen Bereich
  • Konfliktaustragung im öffentlichen Bereich, d.h. im Spannungsfeld zwischen Umwelt, Wirtschaft, Politik und Sozialem
  • Interpersonelle und interorganisatorische Konflikte
  • Ideologisch und weltanschaulich geprägte Wertekonflikte
  • Vielfältige und divergierende Interessenebenen
  • Macht- und Ressourcenungleichgewichte
  • Komplexe wissenschaftlich-technische Fragen mit hoher Unsicherheit
  • Unsicherer Ausgang eines möglichen Rechtsstreits

3. Ziele der Mediation im öffentlichen Bereich

Durch den Einsatz der Mediation im Spannungsfeld zwischen Umwelt, Wirtschaft, Politik und Sozialem sollen vor allem folgende Ziele erreicht werden:

  • Erreichung von Lösungen zum allseitigen Nutzen
  • Erarbeitung von zukunftsorientierten Konfliktregelungen, die von allen Beteiligten gemeinsam getragen werden
  • Förderung der Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien
  • Soziales Lernen im Rahmen konstruktiver und fairer Kommunikationsprozesse
  • Qualitätsverbesserung durch Entscheidungsfindung auf breiter Informations- und Argumentationsbasis

4. Prinzipien der Mediation im öffentlichen Bereich

Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich ersetzen nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Planungs- und Genehmigungsverfahren, sondern finden in Ergänzung bzw. im Vorfeld davon statt. Ein Mediationsverfahren weist in Abgrenzung zu anderen Formen der Konfliktregelung folgende Prinzipien auf:

  • Allparteiliche Verfahrensleitung: Mediation setzt externe, allparteiliche, von allen Konfliktparteien akzeptierte Mediatoren voraus.
  • Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung: Die beteiligten Personen oder Gruppen eines Konflikts nehmen selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihre Interessen und Bedürfnisse wahr und vertreten diese innerhalb des Mediationsverfahrens. Sie bringen diese in der Regel durch Vertreter in das Verfahren ein.
  • Informiertheit: Alle Beteiligten sollen einen uneingeschränkten Zugang zu den entscheidungserheblichen Informationen haben und nutzen.
  • Freiwilligkeit: Die Teilnahme an Mediationsverfahren ist freiwillig. Jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit, jederzeit aus einem Mediationsverfahren auszuscheiden.
  • Beteiligung aller Betroffenen: An einem Mediationsverfahren sind alle von einem Konflikt betroffenen Personen und Institutionen beteiligt. Gegebenenfalls ist es erforderlich, Vertretungs- und Delegationsregelungen zu treffen.
  • Ergebnisoffenheit: Mediationsverfahren sind ergebnisoffen und dienen nicht der Akzeptanzbeschaffung.
  • Vertraulichkeit: Mediationsverfahren sind grundsätzlich vertraulich. Eine Weitergabe von Informationen, die innerhalb eines Mediationsverfahrens erlangt wurden, ist nur bei ausdrücklicher Zustimmung des jeweiligen Betroffenen gestattet. Ausgenommen davon sind Konsultationen mit Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs.1 Nr. 1, 3 und 4 StPO (z.B. Rechtsanwälte, Geistliche, Ärzte, Steuerberater etc.) in Anspruch nehmen können.
  • Empathie: Die Schaffung wechselseitigen Verstehens ist zentral für den Prozess der Mediation.

5. Ablauf einer Mediation im öffentlichen Bereich

Der eigentlichen Mediation geht eine Initiierung voraus, in der sich die Betroffenen über die wesentlichen Merkmale der Mediation informieren und Finanzierungsmöglichkeiten geklärt werden. Das Mediationsverfahren selbst folgt idealtypischer Weise folgendem skizzierten Ablauf:

I. Vorbereitungsphase

  • Konfliktanalyse
  • Auswahl bzw. Bestätigung von Mediatoren
  • Klärung des organisatorischen Rahmens
  • Verständigung über den Prozess der Mediation

II. Durchführungsphase (unter Beachtung der Sach-, Beziehungs- und Prozessebene)

  • Beschreiben und Benennen von Themen
  • Klärung von Bedürfnissen und Interessen
  • Erarbeitung eines Kriterienkataloges
  • Gemeinsame Ideensuche
  • Entwicklung von Optionen
  • Überprüfung der Machbarkeit der Optionen

III. Entscheidungs- und Umsetzungsphase

  • Gemeinsame Entscheidung
  • Mediationsvereinbarung
  • Klärung der Umsetzung

6. Aufgaben und Selbstverständnis von Mediatoren

  • Die wesentlichen Aufgaben von Mediatoren bestehen in der Strukturierung, Gestaltung und Leitung des Mediationsverfahrens im öffentlichen Bereich. Somit gewährleistet er, dass die in Teil I, 3 genannten Ziele in einem für die Beteiligten als fair empfundenen Kommunikationsprozeß erreicht werden können. Der Erwerb der mediationsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch eine interdisziplinäre Ausbildung sichergestellt. Auf diese Weise wird die Professionalität der Mediatoren gewährleistet.
  • Mediatoren fördern durch ihr allparteiliches und empathisches Verhalten die Kommunikation zwischen den Teilnehmern an einem Mediationsverfahren. Dabei unterstützten sie die Teilnehmer in deren Fähigkeit, Interessen und Bedürfnisse zu erkennen und zu artikulieren sowie Konflikte selbst und eigenverantwortlich in dem dafür notwendigen zeitlichen Rahmen zu lösen. Die Rolle von Mediatoren ist nicht mit der Rolle von Beratern, Gutachtern oder Schiedsrichtern vereinbar.

Teil 2

Standards für die Ausbildung von Mediatoren im öffentlichen Bereich

1. Grundsätzliche Leitlinien der Ausbildung

Die Tätigkeit als Mediator im öffentlichen Bereich ist sehr komplex. Daher ist eine fundierte Ausbildung nötig, die vor allem interdisziplinären Gesichtspunkten Rechnung trägt. Durch eine entsprechende Ausbildung wird der Auszubildende in die Lage versetzt, selbständig Mediationsverfahren zu organisieren und zu leiten. Die Verknüpfung verschiedener Fachrichtungen soll die Vielseitigkeit der Ausbildung gewährleisten. Die Inhalte der Ausbildung von Mediatoren werden durch einen ständigen Austausch zwischen Theorie und Praxis fortlaufend optimiert.

Die Ausbildung zum Mediator im öffentlichen Bereich soll die Qualität der Mediation gemäß diesen Standards sichern und zu einer Professionalisierung führen. Über das Absolvieren eines Ausbildungsganges hinaus sollte jeder Mediator durch die Erlangung von Praxiserfahrung, Fortbildung und Supervision seine eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln.

2. Ziele der Ausbildung zum Mediator

Im Rahmen einer Ausbildung, die sich in einen theoretischen (Teil II, 3) und einen praxisorientierten (Teil II, 4) Teil gliedert, soll der Auszubildende folgende übergeordnete Lernziele erreichen:

  • Entwicklung der Fähigkeit, Konflikte zu erkennen, zu analysieren und mit ihnen umzugehen
  • Entwicklung eines Selbstverständnisses als Mediator
  • Wahrung der Prinzipien der Mediation (Teil I, 4)
  • Methodenkompetenz

3. Inhalte des theoretischen Ausbildungsteils

Der theoretische Ausbildungsteil zum Mediator umfasst fünf Hauptthemengebiete:

a) Einführung in die Mediation

  • Theoretische Aspekte und Kontexte von Konflikten (Konflikttypen, ADR-Verfahren, Umweltkonflikte als soziale, institutionelle und öffentliche Konflikte)
  • Grundgedanken der Mediation (Begriff, Geschichte, Anwendungsgebiete)
  • Theoretische Leitbilder der Mediation (verhandlungs- und lösungsorientierter Ansatz, Transformationsansatz, Kooperativer Diskurs)
  • Besonderheiten der Mediation im öffentlichen Bereich
  • Aufgaben und Funktion des Mediators
  • Entwicklung eines Selbstverständnisses der eigenen Mediatorentätigkeit

b) Kommunikation und Mediation

  • Sozialpsychologische und systemtheoretische Aspekte
  • Grundlagen der Kommunikation
  • Kommunikationstechniken
  • Verhandlungstechniken
  • Gesprächsführung, Moderation, Perspektivenwechsel und Rhetorik

c) Arbeit mit Gruppen

  • Aspekte der Gruppendynamik
  • Macht
  • Vertrauen
  • Fairness
  • Repräsentanz
  • Entscheidungsprozesse

d) Umweltpolitischer und rechtlicher Handlungsrahmen

  • Anwendungsfelder der Mediation im öffentlichen Bereich
  • Ökologische Arbeitsfelder, Professionen und Werthaltungen
  • Politik und Verwaltung
  • Rechtliche Rahmenbedingungen
  • Rolle des Rechts
  • Stellung des Mediationsverfahrens im politisch-administrativen Entscheidungsprozess

e) Verfahrensaufbau und Organisation

  • Phasen und Ablauf eines Mediationsverfahrens im öffentlichen Bereich
  • Aufgabenanalyse
  • Finanzierung
  • Vertragsgestaltung
  • Co-Mediation
  • Konfliktanalyse
  • Aufbau des Teilnehmerkreises
  • Einzelgespräche und Gruppenarbeit
  • Verfahrensregeln und Geschäftsordnung
  • Organisation und Setting
  • Ergebnissicherung und Implementation

4. Inhalte des praxisorientierten Ausbildungsteils

Im Verlauf des praxisorientierten Ausbildungsteils werden die in der Theorie erworbenen Kenntnisse vertieft und die Methoden der Mediation praktisch eingeübt und erlebt. Insbesondere folgende Themen sollen praktisch vertieft werden:

  • Leitbilder und Strategien der Mediation
  • Aufbau und Organisation eines Mediationsverfahrens im öffentlichen Bereich
  • Basistechniken des Mediators

Die praxisorientierte Ausbildung besteht vor allem aus Rollenspielen, Übungen, Simulationen und Reflexionen. Auf diese Weise findet eine intensive Auseinandersetzung mit den individuellen Fähigkeiten der Auszubildenden statt, die ihr Selbstverständnis als Mediatoren fördert.

5. Praktikum

Die Ausbildung zum Mediator im öffentlichen Bereich soll soweit möglich ein Praktikum bzw. eine Hospitanz in einem laufenden Mediationsverfahren umfassen. Wünschenswert ist die Teilnahme als Co-Mediator in einem laufenden Verfahren.

6. Dauer der Ausbildung

Die Ausbildung zum Mediator umfasst im theoretischen Ausbildungsteil (Teil II, 3) mindestens 80 Stunden. Der praxisorientierte Ausbildungsteil ist ebenfalls auf 80 Stunden angelegt. Hinzu kommen die Zeiten für Supervision und Hospitanz.

7. Anforderungen an die Auszubildenden

Die Auszubildenden sollen in der Regel Hochschulreife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie eine mindestens dreijährige Berufserfahrung mitbringen. Den Ausbildungsinstituten wird empfohlen, den Kandidaten vor Beginn der Ausbildung in einem Einführungsseminar die Möglichkeit zu geben, ihre jeweilige Eignung zum Mediator festzustellen.


Teil 3

Anforderungen an die Ausbildungsinstitute und Ausbilder

1. Ausbildungsinstitute

Die Ausbildungsinstitute vermitteln die Inhalte dieser Standards. Die Übereinstimmung der jeweiligen Ausbildungsprogramme sowie die Eignung der Ausbilder nach diesen Standards wird durch das Gremium nach Teil IV bescheinigt.

2. Ausbilder

Die Ausbilder sollen qualifizierte Praktiker und Wissenschaftler aus relevanten Disziplinen sein, z.B.

  • Kommunikationswissenschaft
  • Rechtswissenschaft
  • Psychologie
  • Raumplanung
  • Soziologie
  • Politikwissenschaft

Die Ausbilder müssen Praxiserfahrung im Bereich der Mediation aufweisen und verschiedenen Professionen angehören.

3. Ausbildung in Mediation

Die Ausbildung muss interdisziplinär gestaltet und durchgeführt werden. Jeder Ausbilder muss zumindest eine theoretische Ausbildung gemäß diesen Standards in Mediation durchlaufen haben. Dies gilt nicht für die Ausbilder, die vor dem 31. März 2000 eine Ausbildung im Bereich der Mediation angeboten haben.